Strandfund: Was ist eigentlich Meerglas?

Ich gebe es zu: Ich bin ein Sammler und sogar so verrückt, für meine Leidenschaft ein paar Tage Urlaub auf meiner persönlichen Schatzinsel zu machen. Dann renne ich mit gesenktem Haupt am Strand entlang und halte Ausschau nach glitzernden Juwelen. Juwelen am Strand? Klar, frag mal die Kinder! Die sammeln auch kein Glasmüll, sondern Edelsteine! Denn genau das sammle ich auch: Meerglas.

Was ist Meerglas? Das sind Scherben von Glasobjekten – von Flaschen über Gläser bis zu Vasen und Scheiben – die von Sand und Meer glatt geschliffen wurden. Meerglas ist mehr als Müll, Scherben, kaputte Flaschen. Es hat unterschiedliche Farben und Schattierungen; braun ist nicht gleich braun und grün nicht gleich grün. Die unterschiedlichen Farben gibt es in unterschiedlicher Häufigkeit. Grüne, weiße und braune Scherben finden Meerglassammler überall auf Schritt und Tritt. Blaue sind rar, rote fast nie zu finden. Das hat natürlich etwas damit zu tun, wie häufig die Farbe in einem Glasobjekt verwendet wurde. Also grüne Bierflaschen und weißes Glasgeschirr sind öfter hergestellt worden als rote Laternen oder Schalen aus Uranglas.

Die seltenen Funde sind natürlich die besten. Vom Wasser bearbeitete Murmeln sind nicht nur bei meinen Kindern heiß begehrt. Oft findet man auch sogenannte „Multis“, also Stücke, die aus verschiedenen Farben entstehen. Diese können aus zusammengeschmolzenem Glas entstanden sein (sogenanntes „bonfire glass“) oder entsammen den ins Meer gekippten Verarbeitungsresten von Glasmanufakturen wie in Seaham.

 

 

Experten können Schriftzeichen, kurios geformte Fragmente oder Muster auf den Stücken deuten. So verrät ihnen die Scherbe etwas über ihren ursprünglichen Verwendungszweck und über das ungefähre Jahr ihrer Produktion. Je länger die Scherbe im Wasser über Sand geschoben wurde, desto glatter ist die Oberfläche. So entstehen wundervolle Handschmeichler.

Und wo findet man diese tollen Stücke? Am besten da, wo viel Müll im Meer gelandet ist. Also dort, wo Schiffe entlang fahren, wo es früher Müllkippen gab oder an Standorten ehemaliger Glasfabriken. An Nordsee oder Ostsee, Atlantik oder Mittelmeer, am Meer oder an Seen – glatt geschliffene Glasreste lassen sich an den meisten Stränden finden. Ein Problem für Sammler sind dabei natürlich „aufgeräumte“ Kurstrände. Deswegen sollten Meerglasfans am besten Naturstrände aufsuchen. Und noch erfolgreicher ist die Suche nach stürmischem Wetter und an Küstenstreifen mit Tidenhub.

Mittlerweile stellte ich immer häufiger fest, dass die Schätze verschwinden. Ähnlich wie Seeigel oder Donnerkeile werden sie regelrecht abgeerntet. Schon jetzt wird Meerglas als „verschwindendes Geschmeide“ bezeichnet − zumindest in Amerika. Dort ist das Sammeln der Scherben ohnehin verbreiteter als in Deutschland. Es gibt Gesellschaften, deren Mitglieder sich zu jährlichen Konferenzen treffen und dabei die „Scherbe des Jahres“ nominieren. Auch in Deutschland gibt es eine Community, die Interessengemeinschaft Meerglas. Sie ist allerdings nicht so aktiv wie die amerikanischen Gruppen.

Übrigens kann man mit den Scherben auch wundervoll basteln. Ich mache daraus zum Beispiel Fensterschmuck oder Teelichthalter. Viele Künstler gestalten aus Meerglas auch Schmuck.

 

Meerglas – suchen, finden, bestimmen / Strandscherbenfunde an Nord- und Ostsee

Ann-Christin Wimber
Hardcover, 96 Seiten, rund 200 Abbildungen

ISBN: 978-3-00-044662-7

Bestellbar im Buchhandel, bei Amazon (Affiliate Link) oder unter buchbestellungen@meerglas.info (14,95 Euro, 1 Euro Porto, inkl. Meerglas-Postkarte)