Darf ich eigentlich übers Sterben bloggen? Über Beerdigungen? Über Seebestattungen? Bei einer oberflächlichen Recherche über die letzte Fahrt aufs Meer hinaus fand ich – nichts bis wenig. Natürlich gibt es zahlreiche Seiten von Unternehmen, die Seebestattungen anbieten. Aber die sind sachlich, faktisch, nüchtern. Hilfreich, selbstverständlich, aber wenig … persönlich. Daher habe ich mich entschlossen, euch von unserer Seebestattung zu berichten.
Meine Schwiegermutter ist gestorben. Sie wünschte sich eine Seebestattung – also erfüllten wir ihr diesen Wunsch. Schließlich leben wir am Meer; nicht weit entfernt von uns gibt es zudem Seebestattungsunternehmen. Also vereinbarten wir einen Termin und ließen uns beraten.
Als erstes räumte der Bestatter, der zudem Kapitän des Bestattungsschiffes ist, mit meiner aus dem amerikanischen Fernsehen geprägten Vorstellung auf, die Asche würde über dem Meer verstreut werden. Das ist in Deutschland – natürlich – nicht erlaubt. Stattdessen wird die Urne im Wasser versenkt. Es gibt spezielle Urnen für Seebestattungen, die sich im Wasser auflösen und dann auch die Asche freigeben.
Ansonsten zeigte sich der Bestatter offen für unsere Vorstellungen: Er stellte uns mehrere Seegebiete zur Option, die wir anfahren und dort die ihrer letzten Bestimmung übergeben konnten. Wir entschieden uns für ein Gebiet vor Heidkate (im Meer: Kohlberger Heide). Schließlich ist das unser Heimatstrand. Wir hätten auch die Möglichkeit gehabt, im Haus der Seebestattung eine Plakette anbringen zu lassen, um hier einen Ort zum Gedenken zu haben. Wir entschieden uns dagegen. Unser Küstenabschnitt genügt uns als Gedenkort.
Es folgte das Organisatorische: Wir erzählten von meiner Schwiegermutter, der Bestatter schrieb mit; wir entscheiden uns für drei Lieder, die während der Bestattung gespielt werden sollten; und wir einigten uns auf einen Termin – und hofften auf gutes Wetter.
Wir hatten Glück: Die Sonne schien an diesem Frühjahrstag. Die Temperaturen verlangten nach dicken Jacken und über der Ostsee lag eine feine Nebeldecke. Die Urne stand auf dem Oberdeck, eingerahmt durch gelbe Rosen und einen dicken Tampen. Die Aussicht hätte meiner Schwiegermutter gefallen. Zügig verließ die „Seewind“ die Hafen in Wendtorf und nahm Kurs auf das Bestattungsgebiet. Bald waren wir umhüllt von Seenebel, der nur ab und zu den Blick auf die Küste freigab und die Geräusche verschluckte. Nur das leise Tuckern des Motors und das vereinzelte Schreien der Möwen war zu hören. Ab und zu drangen ein paar diffuse Sonnenstrahlen durch die weiße Schicht. Es war eine wunderschöne Stimmung.
Während der Fahrt schenkte der Matrose Kaffee, Tee und Apfelsaft unter Deck aus. Hier konnten wir sitzen, reden und schweigen und uns auf das vorbereiten, auf das man sich eigentlich nicht vorbereiten kann: die Bestattung. Schließlich stoppten die Maschinen. Wir hatten unseren Zielgebiet erreicht und versammelten uns auf dem Oberdeck. Der Kapitän sprach die üblichen, persönlichen Worte, garniert mit geschmackvollen Weisheiten und Gedichten. Vier Mal ließ er die Schiffsglocke ertönen – das Signal für den „Wachwechsel“. Damit endet symbolisch die Wache des Verstorbenen auf Erden. Dann begaben sich Kapitän und Matrose mit der Urne ein Deck tiefer. Während unser erstes Lied spielte, ließen sie die Urne langsam ins Meer gleiten.
Anschließend warfen wir unsere Blumen hinterher, ein weiteres Lied ertönte und hielt uns in unserer vernebelten Gedenkblase gefangen. Der Kapitän drehte eine Runde um die Stelle, an der die Urne den Meeresgrund erreicht hatte. Wir weinten.
Fast entschuldigend nahm der Kapitän wieder Kurs auf unseren Heimathafen.
Zurück in Wendtorf erhielten wir einen Auszug aus dem Schiffstagebuch und eine Seekarte mit der genauen Beisetzungsposition. Dann gingen wir von Bord.
Weitere Informationen zu Seebestattungen: https://dsbg.de/index.php?page=seebestattung_info_ablauf_einer_seebestattung