Aigues-Mortes: Historisches Kleinod im Sumpf

Inmitten der Carmargue, etwa fünf Kilometer vom Mittelmeer entfernt, liegt die mittelalterliche Stadt Aigues-Mortes. Früher war sie Handelshafen, heute ist sie Touristenmagnet.

Aus der flachen Ebene der Camargue hebt sich plötzlich ein grauer Klotz. Es könnte ein Bunker sein oder ein Speicher, der mit einem Leuchtturm geschmückt wurde. Doch das Bauwerk, dass in der gleißenden Sonne des südlichen Languedoc-Roussillon fast weiß erscheint, kündigt schon viele Kilometer vorher den historischen Kern der Stadt Aigues-Mortes an. Der Wachturm „Tour de Constance“ steht an der nord-westlichen Ecke der vollständig erhaltenen Stadtmauer.

Besucher betreten die mittelalterliche Stadt am besten durch das Walltor, am Yachthafen gelegen, das Gardetten- oder Antoniustor. Wer letzteres durchschreitet, findet zu seiner rechten und linken die beiden aus dem 17. Jahrhundert stammenden Kapellen „Grauer Büßer“ und „Weißer Büßer“. Die Kapelle der Grauen Büßer ist den heiligen fünf Wunden Jesu geweiht. Hier lohnt sich ein Blick auf das Altarbild aus Stuckarbeit von Sabatier, das unter Denkmalschutz steht. Auch die rechtsseitig des Antoniustores stehende Kapelle der weißen Büßer beherbergt denkmalgeschützte Kunst sowie Reliquien.

Der Gang durch das Gardetten-Tor bringt den Besucher an dichtesten an den Constance-Turm. Hier befindet sich der Eingang in das Museum sowie der Zugang zur Stadtmauer. Diese wurde 1272 bis 1310 errichtet. Zuvor – im Jahre 1240 – hatte Ludwig der IX (Ludwig der Heilige) beschlossen, in dem sumpfigen Land einen Hafen bauen zu lassen. Bereits im 10. Jahrhundert wurde eine Siedlung namens Aquae Mortuae (Totes Wasser) erwähnt. Diese lag an einer Lagune, die bereits damals durch Kanäle mit dem Meer und den westlichen Armen der Rhône verbunden waren. Nach dessen Ausbau des Hafens profitierte Ludwig der IX von dem üppigen Handel mit Italien und dem Orient. Gleichzeitig konnte er sich politisch auf einem Landstrich halten, der im Osten an die vom Heiligen Römischen Reich deutscher Nationen abhängige Provence grenzte.

Der Canal du Midi von Aigues-Mortes aus gesehen (Foto: Wimber)

Der Hafen versandete jedoch bald. Bereits im 14. Jahrhundert begannen sich die Bewohner, auf den Handel mit Wein und Salz zu konzentrieren. Als die Provence 1481 an Frankreich fiel, wurde Marseille als Handelshafen ausgebaut und Aigues-Mortes verlor seine strategische Position gänzlich.
Die Geschichte der Stadt wird besonders beim Rundgang auf der Stadtmauer deutlich. Er dauert ungefähr zwei Stunden – und bei gutem Wetter sollten Besucher auf jeden Fall ausreichend Getränke mitnehmen, da es auf der Mauer sehr warm werden kann. In den zehn Toren und fünf Türmen sind unterschiedliche historische Ereignisse dargestellt. Dazu gehören nicht nur der Bau des Befestigungssystems und die Kreuzzüge, zu denen Ludwig der IX von hier aus aufbrach. Besucher können sich auch über die Unterdrückung des Protestantismus und die wohl berühmteste Gefangene des Constance-Turms, Marie Durand, informieren, die 38 Jahre hier eingesperrt war. Zudem befassen sich die – oft multimedial aufbereiteten – Ausstellung mit den Königen Frankreichs, dem Bau des Canal du Midi oder den Kriegen gegen die Armagnacs im 15. Jahrhundert, als die Franzosen die Körper der gefallenen Gegner in den „Tour des Bourguignons“ warfen, wo diese mit Salz konserviert wurden.

Natürlich gehört zu dem Besuch der Stadtmauer auch der Besuch des Constance-Turms. Von hier oben hat man einen großartigen Blick zum Mittelmeer, über die Carmague und die Stadt sowie zum Canal du Midi.

Am Keks- und Bonbonladen La Cure Gourmande kann keiner vorbei gehen. Einen krassen Gegensatz zur fast abgeschiedenen Beschaulichkeit der Wehranlagen bildet der Stadtkern. Dass sich hier gut und gerne eine Million Besucher jährlich tummeln, merkt man vor allem an den zahlreichen Straßencafés und Restaurants, Eisbuden und Souvenirshops. Trotzdem gibt es auch hier Sehenswertes zu entdecken wie etwa die malerischen Gässchen abseits der Hauptstraßen oder der Keks- und Bonbonladen „La Cure Gourmande“ auf dem Weg zum Rathaus und zur Statue Ludwig des XI im Zentrum. Auch Kunstliebhaber kommen hier auf ihren Geschmack: 25 Kunstgalerien und 15 Kunsthandwerkstätten der ortsansässigen Maler, Bildhauer, Mosaikleger, Glasbläser oder Keramiker zählt die Stadt ihr eigen.

So lecker: Keks- und Bonbonladen La Core Gourmands (Foto: Wimber)

Wer etwas länger in Aigues-Mortes bleibt, kann das ganze Jahr über zahlreiche Festivals besuchen – angefangen bei der Weinmesse im März über das Musikfestival im Juni und das Fest Ludwig des Heiligen (Les Fêtes de la Saint Louis) am 23. und 24. August mit mittelalterlichem Markt, Paraden und Schauspiel, bis zum Stierrennen im Oktober.

Spezialität: Das Salz der Camargue

Angrenzend an die historische Stadtmauer Aigues-Mortes liegen die Salzfelder „Salin du Midi“. Zwar stört der Anblick der Silos, die sich am Ende des Salzsees auftürmen, den ungetrübten Blick gen Mittelmeer. Dafür ist das lila gefärbte Wasser der Saline um so malerischer.
Die Saline erstreckt sich heute über 10.800 Hektar. Das Meerwasser fließt in eigens dafür eingerichtete Becken und zirkuliert in diesen mehrere Monate lang. Von Becken zu Becken nimmt der Wassergehalt ab und die Salzkonzentration zu. Nach fünf Monaten ist es schichtweise kristalliert und wird dann mit großen Maschinen abgetragen. Die hohen Salzberge – 20 Meter hoch und 400 Meter lang – sind weithin sichtbar.
Die ersten Salinen der Region stammen aus dem 13. Jahrhundert. Sie wurden von den Mönchen von Psalmody errichtet, deren Abtei in der Gemeinde Saint Laurent D’Aigouze besichtigt werden kann.

Salinen vor Aigus-Mortes (Foto: Wimber)

Anfahrt und Unterkunft: 
Mit dem Auto: A 9 aus Richtung Nîmes die Abfahrt Gallargues Richtung Aigues-Mortes (D979) nehmen; A 9 aus Richtung Montpellier die Abfahrt Fréjorgues nehmen

Mit dem Zug: Es gibt eine direkte Zugverbindung von Nîmes nach Aigues-Mortes, von Montpellier aus fährt ein Überlandbus zum Bahnhof Aigues-Mortes

Für Übernachtungen gibt es rund ein halbes Dutzend 3-Sterne sowie 2-Sterne-Hotels mit insgesamt etwa 300 Zimmern. Zudem stehen Besuchern vier nicht-klassifizierte Hotels, fünf Gîtes, eine Apartment-Anlage, etwa 100 Ferienhäuser, zwei Campingplätze sowie rund 700 Anlegestellen an den Yachthäfen zur Verfügung.

Das Office de Tourisme finden Sie im Internet unter www.ot-aiguesmortes.fr

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