Zum Heulen süß: Robbenbabys auf Helgoland

Die Düne soll jetzt abgesperrt sein, haben wir gehört. Man kann nicht mehr so wie früher einfach über den Strand flanieren. Der Grund: Jetzt bringen hier die Kegelrobben ihre Jungen zur Welt. Na gut, wenn ich schon mal im November auf Helgoland bin, dann muss ich es mir anschauen. Also borde ich an einem Montagmorgen die „Witte Kliff“ und lasse mich (und meine Freundin) zur Düne bringen.

Nach dem Aussteigen wenden wir uns nach links, zum Nordstrand der Düne. Schon von weitem kann ich den Zaun und eine Art Torwand sehen. Ich bin skeptisch. Wofür soll das denn gut sein? Werden wir überhaupt Robbenbabys sehen?

Der Strand der Düne ist abgesperrt. Dahinter sollen die Kegelrobben in Ruhe ihre Jungen zur Welt bringen können. (Fotos: Wimber)

Als wir näher kommen, sprudeln sofort alle mütterlichen Hormone hervor, die ich noch in mir wohnen habe. Direkt am der Holzplatte mit den Gucklöchern sowie nur wenige Meter von dem Zaun entfernt liegen gelblich-weiße Puschelbabys und schauen uns mit großen schwarzen Knopfaugen an. OMG! Wie süß sind die denn??!! Jetzt wird mir auch klar, wofür die Löcher sind. Man kann sich dahinter verstecken und die Kegelrobben-Mütter und ihre Jungen beobachten, ohne sie zu stören. Da genau hinter der Platte aber ein Heuler liegt, wird der Plan hinfällt. Die Mutter versucht auf jeden Fall sofort, ihr Jungen von der Schutzwand weg zu locken. Sie zeigt ihr Gesäuge. Sobald das Junge sich begeistert auf den Weg macht – noch sehr platscht und unkoordiniert – rollt sie weg und zeigt ein paar Meter weiter unten am Strand erneut ihre Zitze. Andere Robbenmütter, die etwas weiter weg vom Zaun liegen öffnen müde ein Auge und überlegen, ob sie auch in Geschäftigkeit ausbrechen müssen. Sie entscheiden sich dagegen und machen das Auge wieder zu. Hinter der Steinmauer liegt noch Nachgeburt. Das Junge hat sich zwischen die Steine verzogen, die Mutter liegt erschöpft am Zaun.

Nachdem wir so lange die Tiere fotografiert und gefilmt haben, bis uns die Finger abzubrechen drohen, machen wir uns auf den Weg zum Südstrand. Hier bietet sich uns ein ähnliches Bild wie auf der Nordseite. Bis zum Dünenrestaurant ist der Strand abgesperrt. Überall liegen dicke graue und kleine gelblich-weiße Hügel herum.

Zum Glück haben sich ein paar Jungtiere weit genug den Strand hochgerobbt, sodass sie im Grund gestreichelt werden könnten – wenn da bloß nicht diese Verbotsschilder hängen würden… Sie sind aber auch zu niedlich! Ein Junges hat Langweile und knabbert an einem Stein. Ein anderes untersucht seine Flosse. Der Wind trägt das Heulen eines garantiert kurz vor dem Verhungern stehenden Jungtieres zu uns hinüber. Ein Muttertier hat sich erbarmt und säugt ihr Junges. Am Zaun klebt eine Meute Fotografen – eine Gruppe aus den Niederlanden, wie wir später erfahren, die hier auf Fotosafari sind.

Wir können uns gar nicht losreißen von diesem Naturschauspiel. Langsam wird es voller am Strand – immer mehr Besucher kommen von der Hauptinsel herüber. Der Kegelrobben-Bulle scheint nervös zu werden. Er bewegt sich am Strand entlang und schaut nach seinen Kühen. Tatsächlich schiebt sich dort hinten ein Nebenbuhler aus dem Wasser. Der Bulle, der von zahlreichen Kämpfen schon ganz schön gezeichnet ist, kann ihn jedoch erfolgreich vertreiben. Auch die Mütter werden unruhig, sobald sich ein anderes Muttertier sich ihnen zu dicht auf den Pelz rückt und machen fauchende Brüllgeräusche.

Der Ranger – Patrick Lochow – marschiert am Strand entlang und zählt den Bestand. Über 300 Jungtiere wurden in dieser Saison schon geboren, berichtet er uns, als wir ihn kurz danach jenseits des Zauns stellen. Er erzählt uns auch, dass auf seine Initiative hin 2019 der Zaun errichtet wurde – und dass das nicht bei allen Helgoländern auf Begeisterung stieß. Es ist super interessant, was er zu erzählen hat. Zum Beispiel, dass sie hier auf der Düne jetzt deswegen weit weniger verlassene Heuler haben, da die Mütter nicht mehr von den Besuchern „vertrieben“ werden. Auch, dass die Robbenbabys im Winter geboren werden – wenn sie es durch die härteste Zeit des Jahres schaffen, schaffen sie es auch später. 30 Prozent der Jungen schaffen es übrigens nicht. Außerdem sind in dieser Jahreszeit weit weniger Fressfeinde unterwegs (welche Feinde?).

Im Gespräch mit Ranger Patrick Lochow.

So spannend und nett das Gespräch ist, mir frieren die Füße ab. Deswegen verlassen wir die Düne. Und ich gehe zurück im Hotel erst einmal heiß duschen… Richtig glücklich, dieses tolle Naturschauspiel einmal miterlebt zu haben bin ich trotzdem!

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