Ausprobiert: Wellenreiten im Familienverbund

Ich wollte schon immer Wellenreiten lernen. Als Norddeutscher hat man jedoch nicht so viele Gelegenheiten dazu; in Dänemark hatte ich es mal versucht, aber so richtig erfolgreich war das nicht. Mir fehlte die richtige Technik. Im vergangenen Sommer haben meine Familie und ich uns entschlossen, dass wir alle Wellenreiten lernen wollten und buchten einen Urlaub in Südfrankreich in einem Familien-Surfcamp.

Moliets heißt einer der vielen Orte am Atlantik, deren Campingplätze gleich hinter der großen Düne liegen – 500 Meter bis zum Strand. Ideal geeignet zum Wellenreiten. Das Familiencamp liegt inmitten eines Pinienwaldes – es riecht nach warmem Harz, nach Sand und Tannennadeln; die Zirkaden zirpten den ganzen Tag. Von unserem Campingwagen aus hören wir den ganzen Tag das stetige Rauschen der Wellen. Wir haben eine Woche Kurs für alle gebucht; die Kinder erhalten 5 x 2 Stunden Unterricht, die Erwachsenen nur 4 x 2 Stunden sowie eine Theorie-Einheit. Das Material kann, wenn es nicht gebraucht wird, beliebig lange ausgeliehen werden. Obwohl das Wasser so nahe schien, scheint der Weg bis zur Wasserkante scheinbar endlos. Schließlich müssen wir Bretter für alle Schüler sowie Lunch-Pakete, Getränke und Handtücher mitgeschleppt werden. Der Weg über den durch Pinien beschatteten Pfad auf dem Campingplatz war noch relativ schnell absolviert. Doch in Flip-Flops durch den heißen Sand der riesigen Dünenlandschaft bis zum Meer – schweißtreibend. Die Kinder haben Glück. Entweder sie tragen ein Brett zu zweit oder Eltern und Surf-Lehrer werden als Packtiere umfunktioniert.

Lernen schnell: Kinder beim Wellenreiten im Atlantik.

Die Kinder sind gleich am ersten Tag Feuer und Flamme. Das liegt vielleicht auch daran, dass ihnen der Take-Off innerhalb von Minuten gelingt. Sie haben zudem einen „Wellenservice“. Sobald die Welle kommt, schieben die Surflehrer das Brett an und rufen „Los!“. Meine Tochter paddelt los, hüpft rauf und surft die Welle hinunter. „Woohoo!“, ruft sie und zeigt mir strahlend den Surfer-Gruß mit ausgestrecktem Daumen und kleinem Finger. Auch die anderen Kinder surfen in den Weißwasser-Wellen als hätten sie bereits seit Wochen Surf-Unterricht.

Für uns Erwachsene ist es relativ schwierig, auch nur das Tagesziel zu erreichen. Es lautet: Gleichgewicht halten, anpaddeln üben, sich ans Brett gewöhnen, leicht aufrichten und auf dem Board bleiben. Doch so einfach ist es nicht. Nicht jeder schafft es, mittig zu liegen. Auch den richtigen Zeitpunkt zum Anpaddeln zu finden, ist schwerer als es von der Wasserkante aus aussieht. Die Wellen kommen gleichmäßig und nicht zu mächtig an diesem Tag, doch sie schubsen den ein oder anderen seitlich vom Brett. Oder das Brett verkantet sich, weil die Hand zu nahe am Rand lag beim Aufrichten. Ganz anders bei den Kindern. Sie krabbeln irgendwie aufs Brett und rauschen mit der gebrochenen Welle in flachere Regionen. Gemein! Wir Erwachsenen probieren den Take-Off, also das aufs-Brett-kommen, erst am zweiten Tag – nach einer ausführlichen Erklärung durch den Surflehrer und ausgiebigen Trockenübungen am Strand.

Die Kinder können nach einer Stunde bereits auf dem Brett stehen.

Im Laufe der Woche nimmt der Swell, so heißt die Wellenstärke, zu. Das ist gut für uns Erwachsenen – jetzt haben wir mehr Zeit aufs Brett zu kommen und fallen gehen nicht bereits beim Aufstehen im salzigen Atlantikwasser unter. Für die Kinder macht es keinen Unterschied. Allerdings unterschätzen sie die Strömung und die Höhe der Wellen. Gut, dass es drei Surflehrer gibt, die auf die Kurzen aufpassen. Trotzdem werden sie ordentlich durchgespült nach dem Herunterfallen. Für mich erweist sich gerade diese Strömung des auf- oder ablaufenden Wassers als Schwierigkeit. Nachdem ich mich vom Strand wieder in Richtung Shorebreak vorgekämpft habe, bin ich fast zu erschöpft, um schnell aufs Brett zu kommen. Also fahre ich auf dem Bauch in Richtung Sandstrand.

Trotzdem: Nach vier Tagen gelingt es mir. Ich stehe auf dem Brett. Ich surfe, reite eine Welle herunter. Ok – es ist nur Weißwasser (die Kinder haben schon die dunklen Wellen genommen, aber das zählt nicht) und ich stehe für etwa drei Sekunden. Aber immerhin reicht es, um jubelnd zu rufen: „Juhu, ich stehe!“

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